Wenn Ausfluss zum Einfluss wird

Hinter ihnen verwandelt die Sonne das Meer in flüssiges Lava; aber sie können das Schauspiel nicht genießen, sind vielmehr damit beschäftigt, der Kamera den perfekten Gesichtsausdruck anzubieten oder am Träger ihres Tops herumzuzuppeln (das partout nicht richtig sitzen will). Vor ihnen auf dem Tisch steht eine Tasse Cappuccino, von einem Weltklassebarista meisterlich zubereitet und verziert. Sie lassen ihn kalt werden, weil erst noch die Beleuchtung korrigiert werden muss.

Sie könnten dies oder das tun, könnten Eindrücke sammeln, sich austoben, kreativ sein, sie könnten gar eine Liebesbeziehung mit Leben füllen, wenn nicht alle paar Minuten innegehalten und der jeweilig Boy- oder das jeweilige Girlfriend gezwungen werden müsste, auf den Auslöser zu drücken: Influencer – der Auswurf der Hölle, die Scharlatane der Jetztzeit, die größten Blender seit Bhagwan.

Sie kreieren eine Mischung aus Simulation (immerwährender Genuss/ewiges Glück/unverwüstliche Schönheit) und echten Elementen (ein endloser Ozean aus überschätzen Klamotten, unnötigen, überteuerten Pflegemitteln und sonstigen Konsumartikeln).

Würden sie das Endprodukt ihrer Aktivitäten, also ihre Fotos und Filmchen nur im kleinen Kreis verbreiten (ähnlich dem einstmals berüchtigten Dia-Abend), könnte man sie belächeln. So aber müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, eine ganze Generation ins Verderben zu führen, indem sie so tun, als könnten wir alle am vermeintlich schönen Leben teilhaben, ohne an den Grundfesten des Systems zu rütteln.

Die Frage ist nur: Wo ist das Gegengift für diese Plage? Vielleicht könnte der Selfiestick Aufschluss geben – wenn man ihn denn wie ein Fieberthermometer einführt.

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