Die Idee, die sich hinter dem Begriff Body Positivity verbirgt, ist ebenso naheliegend wie großartig, die dazugehörige Bewegung wichtiger denn je. Beides, also Idee wie Bewegung, verkommt jedoch zur bloßen Karikatur, wenn auch Menschen, die so aussehen, als würden sie sogar während des Nachtschlafs alle paar Minuten ein paar Sit-ups absolvieren, ihre perfekt gefilterten Fotos mit dem BP-Hashtag versehen, weil sie ausnahmsweise einen Mitesser hinterm rechten Ohr entdeckt haben. Die Botschaft dahinter: Seht her, ich bin selbst hässlich schön!
Klar, auch (oder gerade) diejenigen, die damit Ruhm und Geld zu ernten versuchen, dass sie dem herrschenden Schönheitsideal 1:1 entsprechen, wollen natürlich vom Aufmerksamkeitsmarktplatz Body Positivity nicht ausgeschlossen werden. Und genau aus diesem Missverhältnis heraus ist es dann auch zu erklären, dass ein so genanntes Plus-Size-Model wie Ashley Graham, die mit perfekter Sanduhrfigur und feingeschnittenem Gesicht nur wenig von der Norm abweicht, im Netz hauptsächlich mit positiven Kommentaren bedacht wird, während einer Frau wie Anna O‘ Brien, die ungleich mehr Kilos auf die Waage bringt, überwiegend blanker Hass entgegenschlägt.
Ähnlich dreist wie die anfangs benannte Kleiner-Makel-ganz-groß-Fraktion versuchen uns die zu verarschen, die sich mit verwuscheltem Haar oder ungeschminkt präsentieren, dabei so aussehen, als würden sie vom Plakat eines Hollywood-Blockbusters herablächeln, das Ganze aber als Beitrag zum Thema „du darfst so sein, wie du bist“ verkaufen wollen.
Natürlich gibt es Menschen, die selbst mit einem Pferdeapfel auf dem Kopf und einem Spritzer Kotze im Mundwinkel immer noch von Millionen anderen begehrt oder als liebreizend empfunden werden. Und natürlich darf es diesen Gesegneten nicht verboten werden, sich einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie sollten allerdings aufhören, so zu tun, als brächten sie ein Opfer, wenn sie mal ein Fältchen unterm Auge oder zwei leicht ergraute Haare zeigen.