Welkes Fleisch auf Hochgeschwindigkeitsgeschossen

Eben waren sie noch ein Punkt am Horizont, jetzt sind sie schon neben dir, lassen dich – den Blick eisern geradeaus gerichtet, das Haupt leicht gesenkt, als hätten sie Hörner, die es danach drängt, etwas aufzuspießen – den eisigen Hauch ihrer Verachtung spüren: Menschen auf E-Bikes, meist männlich, meist älter. Ihr Motto: Das Leben ist Kampf.

 

Dass an ihrem Ziel nichts anderes auf sie wartet als ein missgelaunter Arbeitgeber, eine depressive Gattin oder ein Rasen, der dringend gemäht werden möchte, spielt keine Rolle. Für den motorisierten Pedalisten geht es stets um Sekunden, besser: um Zehntel oder Hundertstel. Denn wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Und wenn es dabei nur um die Körner fürs tägliche Müsli geht.

 

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Im Seniorenradsport wird so viel gedopt, wie nirgendwo sonst. Hier tummeln sich die, die in jungen Jahren nichts gerissen haben und sich nun auf Teufel komm raus endlich einen Siegerkranz an die Tapete nageln wollen. Im selben Geist ist der geriatrische Zweiradgladiator des Alltags unterwegs. Er würde auch einen radioaktiven Antrieb nutzen, wenn er nur schneller ans Ziel käme.

Dass er sich bei seinem Treiben gern selbst überschätzt, also regelmäßig sich und andere zu Schaden bringt, liegt in der Natur der Sache. Wie es auch in der Natur der Sache liegt, dass sich mein Mitleid mit seinen Quetschungen, Hämatomen und Brüchen in Grenzen hält.

Früher hätte man diese Plage mit Pfeilen beschossen, deren Spitzen vorher mit todbringenden Bakterien bestrichen wurden. Heute wäre das Auslegen sogenannter Krähenfüße eine Option.