Reklametafeln der Nutzlosigkeit

Das erste, was ich aus meinem Leben entfernt habe, nachdem die elterliche Gewalt keine vollständige Verfügung mehr über mich hatte, war die Armbanduhr. Warum etwas mit dir herumschleppen, das dich in jedem Augenblick an so lästige Dinge wie Schlafengehen, Schule oder Friseurbesuche erinnert? Dass ich mit diesem Gedanken nicht alleine war, beweist der Umstand, dass der am Leib getragene Sklavenhalter irgendwann in den 1990ern auch aus dem öffentlichen Raum verschwand. Zumindest weitestgehend. Denn natürlich gibt es immer diesen Typ des ewigen Beamten, der ohne Zeitmessgerät am Handgelenk Schnappatmung, Sehstörungen und schwerste Hautirritationen bekäme. Aber der war eben in der Minderheit. Und das plötzlich gut erkennbar.

Nun aber ist das unselige Accessoire ins allgemeine Bewusstsein und damit in den Alltag zurückgekehrt. Und es stellt sich die Frage, nach dem warum. Warum gerade jetzt, wo doch jeder ein Handy besitzt, auf das er ohnehin alle zehn Sekunden schaut? Warum, wo doch auch heute noch allerorten Uhren hängen, die die Welt aussehen lassen wie eine Fertigungshalle von Volkswagen?

Natürlich geht es um Mode, um Mode und Status. Status in gleich zweierlei Hinsicht. Denn während sich die einen mit einer Breitling für 20.000 € blamieren, lassen sich die anderen mit einem Chronometer aus Holz und Stein für ihre Verdienste in Sachen Nachhaltigkeit feiern.

Aber wieso dann nicht einfach ein Panzerarmband aus purem Gold, meinetwegen ein halbes Kilo schwer (für die einen) oder ein edles Designerbändchen mit dem Logo von Greenpeace oder dem WWF (für die anderen)? Wofür braucht es das Ziffernblatt, das Uhrwerk, das Gehäuse?

Gerade in dieser Sinnlosigkeit verbirgt sich das perfide Geheimnis der Armbanduhrenträger. Denn letztlich geht es ihnen darum, uns, die wir unser Geld lieber für Bücher, Konzerte und Bier ausgeben, zu provozieren. Schaut her, wir leisten uns den totalen Mumpitz, bald tragen wir Mausefallen oder Fliegenfänger am Unterarm, wollen sie uns sagen.

Ihre Uhr ist eine Aufforderung. Eine ständige Einladung zum Diebstahl. Tun wir ihnen den Gefallen. Reißen wir sie ihnen ab, schmelzen wir die verwertbaren Bestandteile ein und fertigen hübsche Spucknäpfe oder Bettpfannen daraus. Die werden immer gebraucht.

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