Literaturhörige

Für sie ist das Buch kein Gebrauchsgegenstand. Für sie ist das Buch ein Objekt quasireligiöser Begierde. Ganz egal, wie langweilig sie ein Werk finden, sie bringen es einfach nicht fertig, dasselbe in den Papiercontainer zu werfen. Selbst wenn sie bereits ab Seite 5 vor lauter Widerwillen das Lesen einstellen mussten, können sie dem Zwang nicht entkommen, das Buch anderen (geknechteten) Seelen zu überantworten. Und so wandert es in die „Zu-verschenken“-Kiste vor der Haustür, in die Umsonst-Box an der Ecke oder im schlimmsten Fall ins Internet, wo sich dann in erster Linie Medimops, Amazon und wie die großen Gebrauchtbuchhändler sonst noch heißen mögen, die Taschen damit füllen.

Was die Literaturhörigen dabei vergessen (zumindest die, denen es finanziell nicht allzu schlecht geht), sind die Autoren, also diejenigen, die ursächlich für die Produktion ihres Götzen verantwortlich zeichnen. Die nämlich müssen im Kapitalismus leider nach wie vor Miete zahlen, ihre Vorräte im Supermarkt auffrischen und wenigstens alle zehn bis zwanzig Jahre mal die Garderobe wechseln. Da pro Jahr und Person im Durchschnitt nur so und so viele Bücher gelesen werden, greift hier am Ende reine Mathematik. Nimmst du dir ein Exemplar aus der „Zu-verschenken“-Box, holst du dir zwei aus der Leihbücherei und beziehst ein weiteres über Medimöpschen, bleiben von sieben gelesenen Büchern drei übrig, an denen Autoren und Verlage Geld verdienen. Daraus folgt unweigerlich, dass sich der Literaturhörige durch seinen Verleih-, Verschenk- und Wiederverkaufsfetisch langfristig selbst das Wasser abgräbt. Verlage sterben weg, Autoren müssen umsatteln, bis schließlich nur noch Mundart-Krimis und erotischer Kitsch übrigbleiben.

Da sich das niemand ernsthaft wünschen kann (schon gar nicht die Sklaven unter der Buchdeckelknute), bleibt letztlich nur eine Lösung: Ab in den Müll mit dem eselsohrigen Zeug. Von mir aus auch in den Kamin oder den Ofen. Sicher, die Nationalsozialisten haben ebenfalls Bücher verbrannt, aber das war ein politischer Akt. Hier geht es um den Support von schreibenden Künstlern. Und was den betrifft, wollen wir uns von Nazis bitte nicht reinquatschen lassen.

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