Panzerkreuzer im Garten der Lüste

Zuerst haben sie gegen diese vollendete Mischung aus Nikotin, Teer und Kohlenmonoxyd gehetzt. Haben uns, die wir gern mal einem eleganten, selbstkreierten Rauchfähnchen hinterhersinnieren, ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Haben uns, die wir als Kind möglicherweise zu selten an der Mutterbrust verweilen durften oder einfach nur keine Lust haben, 95 Jahre alt zu werden und die letzten 15 davon in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt zu verbringen, gezwungen, immer mehr Geld in den Erwerb unseres Lungen-Stimulators zu investieren.

Und sie sind ja noch nicht fertig, die Feinde des Genusses und der Lebensart. Nicht mehr lange und Zigaretten (besser: Tabakwaren allgemein) sind endlich ganz verboten, sprich: nur noch beim Dealer zu bekommen. („Hast du was da?“ „‘ne halbe Schachtel Benson könnte ich dir geben.“ „Wie viel?“ „Vierzig Euro.“ „Nehm‘ ich.“)

Die nächsten, die auf der schwarzen Liste stehen, sind diejenigen unter uns, die ihr Nervenkostüm regelmäßig mit Schokolade und Gummibärchen pimpen. Denn ihren neuen Feind hat die Asketen-Front schon ausgemacht: den Zucker.

„Zucker ist Gewalt“ lautet ihr aktueller Schlachtruf (unlängst auf einem Kita-Aushang entdeckt). Selbst in der Tageschau hat das Thema schon Erwähnung gefunden, wurde vor der Schädlichkeit des weißen Freudenspenders gewarnt.

Und so ist es durchaus denkbar, dass in der Wohnung des Dealers zur halben Schachtel Kippen noch ein Riegel Vollmilch-Nuss erworben werden muss (Preis: 5€), während die Zerstörer der Lüste weiter auf eine Welt hinarbeiten, in der wir irgendwann gänzlich frei von Giften, dafür aber mindestens 150 Jahre lang, werden leben müssen.

Tattoo-Invaliden

Sie müssen sich, sobald sie den öffentlichen Raum heimsuchen, schon ab Mitte März im T-Shirt präsentieren (am besten im Tank-Top), damit wir anderen (jedenfalls die von uns, die nicht das Glück haben, mit Blindheit geschlagen zu sein) auch ja zur Kenntnis nehmen, in was sie in den zurückliegenden Monaten und Jahren so viel Geld und Lebenszeit investiert haben: Menschen mit Tätowierungen.

Neuerdings zeigen sich immer häufiger Vertreter dieser Spezies, die sich den einen Arm mehr oder weniger vollständig haben bebildern lassen, während der andere gänzlich jungfräulich daherkommt. Was wollen sie uns mit diesem Betriebsunfall in Sachen Ästhetik sagen? Den unbefleckten Arm brauche ich noch für die Banklehre, die ich irgendwann mal anzufangen gedenke? Ich bin mindestens so Yin und Yang wie der Dalai Lama, und mein crazy Life ist noch viel Yin und Yanger? Wenn sie mir im Krankenhaus Blut abnehmen müssen, und die Schwester sieht aus wie Mutti, habe ich immer noch einen guten Arm, den ich ihr hinhalten kann?

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In meiner Kindheit gab es bei Familienfesten immer mal wieder den einen oder anderen „Onkel“ zu bewundern, der im Kampf für „Führer und Vaterland“ einen Arm verloren hatte. Damit die guten Hemden oder Jacketts nicht kaputtgeschnitten werden mussten (schließlich sollte die Kledage noch aufgetragen werden), wurde der entsprechende Ärmel normalerweise umgeklappt und mit Nadeln an der Schulternaht befestigt. Es ist daher durchaus statthaft, Menschen mit nur einem tätowierten Arm als Kriegsversehrte des postfaktischen Zeitalters zu bezeichnen.