Sie schlafen ein Leben lang in orange-grüner, schwarz-gelber oder lila-weißer Bettwäsche – ganz egal, ob diese Farben beziehungsweise Farbkombinationen mit ihrem Geschmack übereinstimmen oder nicht. Gern gewanden sie sich auch seltsam, binden sich siebzig Schals um den Leib (fünfzehn um jedes Handgelenk, vierzig um die Körpermitte), setzen kreischbunte Ballonmützen auf oder laufen mit T-Shirts für Gazprom, Wiesenhof oder Alpecin (den selbsternannten Experten bei Haarausfall und Kopfhautproblemen) Reklame.
Sie brechen urplötzlich in Tränen aus, obwohl ihr Leben bis dahin von keinerlei Unbill getrübt wurde. Sie decken Menschen, die sie vorgestern noch als Götter und Idole bezeichnet haben, minutenlang mit den schlimmsten Beleidigungen ein oder blockieren – den Arsch auf dem Asphalt – gemeinsam mit fünfzig anderen Wutbürgern einen Bus, um die Heimfahrt eben dieser von ihnen beleidigten Menschen zu verzögern: Fußballfanaten – häufig männliche, nicht selten alkoholisierte Wesen, die ihr Schicksal davon abhängig machen, inwieweit es elf Großverdienern in kurzen Hosen gelingt, eine Lederkugel zu kontrollieren.
Wer ihnen dabei zusieht, wie sie anderthalb Stunden lang (oder länger) ohne Pause singen, klatschen und hüpfen, fühlt sich automatisch an nordkoreanische Jubelparaden oder die (selbst)hypnotisierenden Rituale mancher Sekten erinnert. Das Verrückte aber ist: Der Fußballfanat gibt seine Menschenwürde freiwillig ab und darf demgemäß als das niederste Geschöpf auf diesem Planeten betrachtet werden.
Während in Nordkorea zumindest die theoretische Hoffnung auf einen Umsturz besteht, ist davon auszugehen, dass die Gattung Fußballfanat nie aussterben wird. Alles für den Verein lautet ihr Credo. Alles für den Arsch wäre die bessere Losung.